Unbekanntes Piemont – auf kleinen Straßen durch das Basso Monferrato

Barolo, Barbaresco, Asti Spumante, Trüffel , Kirschen und Nüsse – jedem,  der gutes Essen und ein leckeres Tröpfchen liebt, läuft hier das Wasser im Mund zusammen. Wo? Natürlich im Piemont, dieser wunderbaren italienischen Provinz, die sich von der Schweizer Grenze im Norden fast bis an die Mittelmeerküste erstreckt. Und die zu jeder Jahreszeit eine Reise wert ist!

Ob im Frühling zur Kirschblüte

oder im Herbst zur Weinernte

Unser Roadtrip führt uns diesmal durch eine eher unbekannte Ecke des Piemont: dem Basso Monferrato.

Die alte historische Grafschaft Monferrat wird durch den Fluß Tanaro zweigeteilt:

Das südliche „Alto Monferrato“ mit den größeren Städten Asti und Alba und dem berühmtesten Weinort Barolo zieht besonders aus kulinarischen Gründen jede Menge Touristen an.

Der nördliche, zwischen den Flüssen Po und dem Tanaro gelegene Teil wird von Besuchern meist auf dem Weg nach Süden oder in die Metropole Turin etwas links liegengelassen.

Aber völlig zu Unrecht: das Basso Monferrato ist traumhaft schön.

Sanft geschwungene Hügel mit Wäldern, Weinbergen und Haselnusshainen.

Hier macht Piemont seinem Namen alle Ehre, bedeutet der ursprünglich lateinische Name „ad pedem montium“ doch „Am Fuß der Berge“

Die Straßen sind, bis auf wenige Hauptverkehrsverbindungen, schmal und kurvig, die Ausblicke einfach herrlich.

Immer wieder bleiben wir am Straßenrand stehen und genießen die Aussicht!

 

Auf jeder Hügelkuppe sitzt, wie Sahnetupfer auf einer Torte, ein beige-braunes Dörfchen und meist ganz oben, als Höhepunkt -im wahrsten Sinne des Wortes und schon von weitem herausragend – die Kirche!

Die meisten dieser Orte sind klein und unbekannt, aber sehr malerisch.

Und manche können uns mit unerwarteten Highlights überraschen:

Montemagno

Dorthin zieht es uns, denn „Großer Berg“ klingt, wie wir finden, beeindruckend und interessant. Als wir das Städtchen erreichen, stellt es sich doch als eher klein heraus (ca. 1100 Einwohner, wie ich später nachlese)

Wir finden für unseren Camper problemlos einen Parkplatz an der Stadtmauer (das ist in anderen Orten, besonders in berühmteren Touristenzielen nicht immer so einfach)

und betreten durch „la Casa sul Portone“, also dem „Haus über der Tür“ den Borgo – den alten, von der Mauer umgebenen Teil des Ortes.

Auf dem Stadtplan am Parkplatz hat mich die Form des historischen Borgo neugierig gemacht:

Wie die Zinken eines Kammes verlaufen die alten schmalen Gassen parallel zueinander von der Via Castello weg. 

Das Interessante daran: die alten Gassen haben keine Namen, sondern sind nummeriert!

Malerisch sind die alten Häuser des Borgo.

Die Balkone lassen die Gassen noch schmaler wirken  (und erinnern mich ein wenig an die alten Häuser auf den Kanaren, zumindest die Holzbalkone).

Doch so pittoresk es hier auch ist, so verlassen scheint der alte Ort zu sein.

Wir begegnen keiner Menschenseele (nur ein paar Katzen, was den Ausflug für Yoda natürlich interessant macht).

Viele Häuser scheinen leer zu stehen und an nahezu jedem zweiten Haus hängt ein Schild „Vendesi“- zu verkaufen.

Doch erwartet uns schnell eine riesige Überraschung: nach wenigen Metern öffnet sich nach links ein großer Platz und bringt uns zum Staunen.

Eine riesige Freitreppe führt nach oben zu einer prächtigen Barockkirche: die „Chiesa dell´Assunta“ der Gemeinde „Dei Santi Martino e Stefano“!

Das ganze Ensemble erinnert mich etwas an die spanische Treppe in Rom und so soll es wohl auch sein. Aber ein solch majestätisches Bauwerk hier? In diesem kleinen Ort?

Obwohl, warum nicht?  – prächtige Barockkirchen finden sich im ganzen Piemont. Denn damit zeigten hier die Herrscher des Herzogtums Savoyen vom 16. bis ins 18. Jahrhundert gern ihre Macht und ihr Geld.

https://www.enit.de/uploads/tx_pdforder/piemont_reisefuehrer_wege_der_kunst.pdf

Der Blick vom oberen Ende des Treppenaufgangs über den Ort und die Landschaft ist einfach traumhaft. Ja, da kann ich schon verstehen, warum die Kirche hier an dieser Stelle gebaut wurde.

Doch nicht nur die riesige Hauptkirche des Ortes ist hier zu finden, sondern gleich daneben noch zwei andere:

die „Chiesa della Confraternita di San Michele“aus dem 18. Jahrhundert

und die „Chiesa della Confraternita della Santissima Trinità“ , 1610 zur Verehrung Papst PIus V erbaut.

Drei Kirchen nahe beieinander in diesem kleinen Nest sagt doch einiges über die Religiosität der Region aus.

Direkt hinter der Kirche steht das nächste imposante Bauwerk des Ortes: das Castello

Beeindruckt blicke ich nach oben zu den kunstvollen ghibellinischen Zinnen.

Der Marquis von Monferrato, der das Land um Montemagno wohl von Kaiser Friedrich Barbarossa erhielt, ließ hier auf dem „großen Berg“ eine Festung bauen, denn von hier oben hatte er die ganze Umgebung im Blick. Das heutige Castello wurde in seiner fast tausendjährigen Geschichte immer wieder baulich verändert und hat eine durchaus imposante Größe.

Das Castello selbst ist nicht öffentlich zugänglich, aber drum herum führt ein sehr schön angelegter Spazierweg:

Von hier haben wir einen wunderbaren Blick in die Landschaft und auf die Weinberge, in denen der berühmte „Barbera del Monferrato“ wächst.

Beim Blick über die herrliche Landschaft des Monferrato fällt uns ein Ort ins Auge, der nicht allzu weit entfernt scheint und dessen Panorama unser Interesse weckt.

Deshalb fahren wir weiter nach

Vignale Monferrato

Durch üppige Weinberge, an deren Hängen die Trauben für den „Barbera d´Asti“ und den „Barbera del Monferrato“ wachsen, kurven wir die Straße hoch auf einen der höchsten Hügel des Basso Monferrato (immerhin 308 Meter).

Und ganz oben drauf sitzt das kleine Örtchen Vignale Monferrato.

Einen schönen großen Parkplatz gibt es hier, auf dem wir mit dem Camper problemlos stehen bleiben können (kostenlos, auch über Nacht möglich!). Lediglich die Anfahrt über eine schmale Straße mit einer engen Kurve könnte für größere Fahrzeuge ein wenig tricky sein.

Der Weg vom Parkplatz in das Örtchen ist kurz.

Viel los ist hier allerdings nur, wenn im Sommer das „Vignale Monferrato Festival“, ein Wein- und Tanzfest, stattfindet.

Heute, an einem Montag im Oktober, ist der Ort fast wie ausgestorben.

Trotzdem gibt es ein paar malerische Eckchen zu entdecken.

Besondere Sehenswürdigkeiten gibt es hier nicht. Der Palazzo Callori, einst Residenz der gleichnamigen Grafen und seit 1979 Sitz der „Enoteca Regionale“ ist derzeit eine Baustelle.

Wieso wir trotzdem nicht bereut haben, nach Vignale Monferrato gekommen zu sein? Weil es hier mit dem “Belvedere l´Infernot”, dem “Belvedere Melvin Jones”und neben und oberhalb der Kirche San Bartolomeo mehrere Aussichtsterrassen gibt, von denen aus wir einen herrlichen Blick über das Basso Monferrato haben!

 

Wir verlassen Vignale Monferrato und gondeln weiter über schöne Straßen des Basso Monferrato.

 

Schon von weitem fällt uns ein Dorf besonders auf. Denn ausnahmsweise thront hier auf dem höchsten Punkt des Hügels mal keine Kirche, sondern ein riesiges, ein wirklich RIESIGES Schloss!

Neugierig folgen wir der kurvigen engen Straße bergauf, bis wir am Ortsschild von

Cereseto

ankommen. Von diesem Ort habe ich noch nie gehört und er ist auch in keinem Reiseführer zu finden.

Wir parken an der Hauptstraße (soweit man das schmale Sträßchen überhaupt so bezeichnen kann) und suchen den Weg zum Schloss.

Ruhig ist es in den Gassen, alleine streifen wir hier an diesem Tag durch das Dörfchen.  Gerade einmal 400 Einwohner leben hier, finde ich später heraus. Zu sehen bekommen wir nur zwei oder drei.

Viele Häuser sind in keinem besonders guten Zustand mehr. Das scheint das Schicksal vieler kleiner Orte hier im Basso Monferrato zu sein.

Das Schloss allerdings oben auf dem Hügel passt in seiner Dimension absolut nicht hierher!

Aus der Ferne hatten mich die Dächer der Türme ein bisschen an asiatische Pagoden erinnert,

aus der Nähe entpuppt sich der Stil dann aber als üppig-übertriebener (wie ich finde), ein wenig kitschiger historisierender Neoromanik-Gotik-Mix.

Aber wie bitte kommt ein solch pompöses Schloss hierher?

Nun, seine Geschichte ist durchaus interessant:

Erbaut wurde es um das Jahr 1910 von einer äußerst schillernden Figur Italiens – Riccardo Gualino.

Gualino wurde1869 im nördlichen Piemont als Sohn eines Juweliers geboren, stieg bereits als junger Mann ins Holzgeschäft ein und baute sich ein Industrie-Imperium im Holz- und Zementhandel, später im Schiffsbau auf.

Sein Erfolg war nicht immer geradlinig: Ende der 1920er Jahre ging er pleite und wurde von Mussolini sogar für zwei Jahre inhaftiert. Er schaffte es aber, danach wieder ein äußerst erfolgreiches Unternehmen mit einer breiten Palette (unter anderem mit Holz-, Schiffs-, Chemie-Industrie und Bankgewerbe) zu etablieren.

Eine enge Zusammenarbeit verband ihn mit Fiat und der Agnelli-Familie.

Aber er war ein Tausendsassa: Kunstsammler (er kaufte als erster Italiener Werke von Edouard Manet) und ab 1934 erfolgreicher Filmproduzent mit seiner Produktionsfirma „Lux“ Er arbeitete unter anderem mit italienischen Filmgrößen wie Carlo Ponti und Luchino Visconti zusammen.

Der beeindruckende Lebenslauf eines außergewöhnlichen Mannes!

Dass er sein prunkvolles 150-Zimmer-Schloss in seiner Heimat Piemont, nahe an seinem Firmensitz in Turin baute, verwundert nicht. Aber warum ausgerechnet in einem kleinen unbekannten Nest wie Cesereto? Keine Ahnung! Vielleicht weil der Blick in die weite, wunderschöne Landschaft von dort oben einfach traumhaft ist!

Das Schloss ist leider nicht zugänglich und so verlassen wir Cereseto wieder, um auf den kurvigen Straßen durch die Weinberge weiterzufahren.

Ein besonders Ziel haben wir uns als Ende des Trips durch das Basso Monferrato aufgehoben:

Sacro Monte di Crea

Die UNESCO-Weltkulturerbestätten der Sacri Monti, der Heiligen Berge des Piemonts und der Lombardei, sind Pilgerstätten mit kunstvollen Kirchen, Kapellen und Kreuzwegen. 

Sie sollten zu Zeiten, in denen Reisen ins Heilige Land zu beschwerlich, teuer und gefährlich waren, Gläubigen in Italien sicherere Pilgerwege ermöglichen.

Jeder Sacro Monte ist einem Heiligen gewidmet (den Sacro Monte d´Orta habe ich euch ja schon einmal vorgestellt-http://roaddreamin.de/orta-san-giulio-kleines-juwel-im-piemont/   )

 

Der Sacro Monte di Crea im Basso Monfarrato ist der südlichste und dient der Verehrung der Gottesmutter Maria.

 

1589 wurde beschlossen, hier, auf einem Hügel mit herrlicher Aussicht, ein bereits bestehendes Marienheiligtum zu erweitern. So wurde daraus ein Sacro Monte.

23 Kapellen, in denen Szenen aus dem Leben Marias eindrucksvoll mit lebensgroßen Figuren dargestellt sind, wurden hier in eine wundervolle Landschaft integriert.

Ein Spaziergang von Kapelle zu Kapelle, unterbrochen von traumhaften Ausblicken und jeder Menge Bänken zum Ausruhen, ist ein wunderbares Erlebnis.

Beeindruckend ist aber vor allem die Wallfahrtskirche „Madonna di Crea“

Sowohl von außen als auch in ihrem Inneren

Von der Bar unter den Arkaden des Nebengebäudes können wir bei einem leckeren Latte Macchiato den Blick auf die wunderschöne Fassade der Kirche ausgiebig genießen.

Übrigens: Das Restaurant „Il Ristorante di CREA“ im ersten Stock des Nebengebäudes hat einen ganz hervorragenden Ruf. Hier soll man exzellente regionale Speisen serviert bekommen. Wir probieren es heute allerdings nicht aus.

Unser Besuch des Sacro Monte ist aber heute ein „unvollendeter“. Nach dem fürchterlichen Unwetter, das Norditalien und vor allem das Piemont vor drei Tagen heimgesucht hat, ist leider ein Teil des Andachtsweges an den Kapellen vorbei wegen eines drohenden Erdrutsches gesperrt. So bleibt uns heute leider das angebliche Highlight des Sacro Monte die Crea, die Paradies-Kapelle auf dem höchsten Punkt des Berges, vorenthalten.

Nun –  ein Grund wiederzukommen.

Übernachten

So, jetzt wird es aber langsam Zeit, einen Übernachtungsplatz zu suchen. Und wir finden einen paradiesisch schönen!!

Auf der Anfahrt zum Sacro Monte hatten wir, etwa einen Kilometer von der Kirche entfernt, eine große Wiese gleich neben der Straße entdeckt.

Auf der Rückfahrt halten wir hier an und begutachten sie genauer. Sie stellt sich als Ausweich-Besucherparkplatz des Sacro Monte heraus.  Ausgestattet mit Picknickbänken, Abfallbehältern, herrlich weichem, grünen Gras und einer atemberaubenden Aussicht.

Die Übernachtung ist hier nicht ausdrücklich verboten, der Platz ist auch in Wohnmobilführern empfohlen. Hier bleiben wir!

Einen besseren Ort gibt es kaum!

Zur einen Seite haben wir den Panoramablick auf das nahe Weingut „Tenuta La Tenaglia“ und das Basso Monferrato,

zur anderen Seite die Aussicht bis in die schneebedeckten Alpen!

In der Ferne meine ich sogar Montemagno mit seinem markanten Panorama mit Castello und Kirche zu entdecken.

Yoda prüft das Gras und befindet es für sehr gut!

Völlig einsam und ruhig ist es hier! Nur das wunderschöne, melodische Glockenspiel der “Madonna di Crea”ist jede Stunde einmal zu hören. Hier oben können wir mit einer herrlichen Aussicht einen traumhaften Tag im Basso Monferrato ausklingen lassen!

Unsere Route

Das Basso Monferrato liegt etwa 70 Kilometer östlich von Turin.

 

Von Deutschland aus am besten über die Schweiz (Autobahn 13 über San Bernadino), in Italien dann die A9 Richtung Mailand, die A4 Richtung Turin bis Vicolungo und dann die A26 Richtung Alessandria/Genua.

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