Hütten im Wald – durch Smålands Glasreich

In einem roten Holzhaus tief in den Wäldern Südschwedens lodert in einem großen Ofen ein Feuer …

Doch nicht etwa zum Wärmen, sondern zum Schmelzen von Glas!

Denn wir befinden uns im “Glasriket” – dem Glasreich Smålands.

 

Hier scheint die Welt noch in Ordnung : tiefe Wälder, klare Seen und jede Menge rot angestrichener Holzhäuser, viel Natur und Ruhe –  also alles, womit wir dieses Land seit unserer Kindheit, die wir mit „Michel aus Lönneberga“ und den „Kindern aus Bullerbü“ verbracht haben, verbinden. Schweden wie aus dem Bilderbuch!

 „Småland“ (bedeutet übersetzt „kleines Land“)  ist eine historische Provinz,  heute aber kein offizieller politischer Landesteil (Landskap) mehr, sondern setzt sich aus den Regierungsbezirken (Län) Jönköping, Kronoberg und Kalmar zusammen.

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Und an der Grenze zwischen Kronoberg Län und Kalmar Län befindet sich seit mehr als 250 Jahren das Zentrum der Glasherstellung in Schweden.

König Gustav Wasa holte im 16. Jahrhundert Glasbläser vor allem aus Italien und Böhmen in sein Land, damit diese die Schweden in die Kunst der Glasfertigung einführten.

Ein ländliches, abgelegenes und eigentlich sehr armes Gebiet im Südwesten des Landes, Smaland eben, entpuppte sich als hervorragend geeignete Gegend für dieses Vorhaben. Bot es doch die wichtigsten benötigten Rohstoffe in Fülle an: Holz zum Befeuern der Schmelzöfen und Quarzsand in den Seen als Hauptbestandteil des Werkstoffes Glas (neben Kalk und Soda).

Über 100 Glashütten gab es wohl hier zur Hochzeit im 19. Jahrhundert und sie produzierten vor allem Gebrauchsglas, also auch z.B. Fensterscheiben.

Inzwischen hat sich die Glasproduktion allerdings etwas gewandelt: Glasscheiben werden hier nicht mehr hergestellt. Und nachdem die meisten Gebrauchsgläser heutzutage Massenware besonders aus Asien sind, werden in den Glashütten im Glasriket inzwischen vor allem Produkte besonderer Designs und künstlerische Einzelstücke kreiert.

Heute gibt es hier in Smaland noch etwa ein Dutzend aktiver Glashütten, die nicht weit voneinander entfernt liegen und für Besucher geöffnet sind.

Meistens kann man den Glasbläsern bei der Herstellung der Werke zusehen oder auch sogar selbst mal seine Kunst versuchen.

Jede der heute noch bestehenden Glashütten hat sich auf ihre eigene individuelle Art entwickelt, auch abhängig von den dort aktiven Glaskünstlern – mit ihrem eigenen Charakter und einzigartig.

https://www.glasriket.se/de

Einige dieser völlig unterschiedlichen Glashütten möchte ich einmal vorstellen:

Kosta

Kosta ist die älteste noch aktive Glashütte im Glasriket. 1742 gründeten hier Anders Koskull und Georg Bogislaus Staël von Holstein mitten in der småländischen Wildnis eine Glashütte und benannten den Ort nach ihren beiden Namen Ko(skull) Sta(el).

Bekannt wurde Kosta zunächst für die Herstellung hervorragenden Fensterglases, aber auch für Gebrauchsgläser und Kronleuchter.

Im Zusammenschluss mit der knapp 30 Kilometer entfernten Boda Glashütte entstand die bekannte Marke „Kosta Boda“, deren Produkte in die ganze Welt verkauft werden.

In den letzten Jahren hat sich Kosta zum größten Outlet-Shoppingzentrum Smålands entwickelt. Inzwischen kann man hier nicht nur Glas, sondern vieles mehr einkaufen: Kleidung, Angel- und Jagdausrüstungen, Gartenzubehör…

Da kann man schon eine ganze Zeit mit bummeln und stöbern verbringen…

Besucher sollen auch durch die beeindruckende Glasbar und das KOSTA BODA ART HOTEL angezogen werden.

Kosta ist damit heute die größte der Glashütten, allerdings ist hier vom alten Charme nicht mehr viel zu finden. Es ist vielmehr ein modernes Einkaufzentrum, wenn auch teilweise noch in alten Gebäuden.

Nur 6 km südlich von Kosta findet man genau das Gegenteil. Ca. 1 km von der Hauptstraße entfernt, erreicht man auf einer schmalen Straße

Transjö

Idyllisch im Wald, an einem See und einem kleinen Fluss, dem Lyckebyån, gelegen, arbeiten hier seit 1982 die beiden Glasmeister Jan-Erik Ritzman und Sven-Åke Carlsson. Beide waren zuvor Mitarbeiter der Glashütte Kosta Boda und haben sich hier in dem kleinen Dorf Transjö zu weltbekannten Glaskünstler entwickelt.

Im ganzen Umkreis der Hütte, im Garten, auf dem See und sogar im Fluss sind die einzigartigen Kunstwerke ausgestellt und geben diesem Ort einen ganz besonderen persönlichen Flair.

 

Kunstvolle Gläser, Schalen, Vasen, Masken und sogar Waschbecken, im „Glasbod“- Verkaufsraum und Ausstellung in Einem- kann man die Objekte bewundern und manchmal auch einen der Künstler selbst antreffen.

http://www.transjohytta.com

Mickejohanns Konstglas

Hinter diesem Namen steckt der Glasmeister Micke Johansson und sein Mitarbeiter Svante Dekker. Auf seinem Hof, versteckt im Wald in der Nähe des kleinen Dorfes Orsjö, entstehen in der kleinen Glashütte, die er erst 2011 gegründet hat,  außergewöhnliche Kunstwerke.

Faszinierend ist es, die Zusammenarbeit der beiden zu beobachten. Jeder Handgriff sitzt, scheinbar ohne großen Wortwechsel weiß jeder, was er gerade zu tun hat und so entstehen hier (laut Micke inspiriert von Hörbüchern, die sie bei der Arbeit nebenbei über Lautsprecher anhören) außergewöhnliche und individuelle Kunstwerke, die man im Laden im Nebengebäude auch kaufen kann.

https://www.instagram.com/mickejohanskonstglas/

Orrefors

Individualität ist zum Überleben der Glashütten notwendig- nur wenn man sich von den Anderen  abhebt, kann man Besucher anlocken – die traditionelle Glashütte von Orrefors (seit 1898 in Betrieb) beschritt mit dem Aufbau von Orrefors Park vor wenigen Jahren neue Wege:

In einem wunderschön angelegten und mit Kunstwerken dekorierten Garten steht ein achteckiger Pavillon mit Schiebewänden, in dem ein ganzes Team von Glaskünstlern vor den Augen faszinierter Zuschauer begeistert seiner täglichen Arbeit nachgeht. Bei schönem Wetter sind die Türen so weit geöffnet, dass fast im Freien gearbeitet wird. Ein Cafe im modernen skandinavischen Stil ist im Anbau, in dem, auch in Verwendung der Schmelzöfen, immer wieder auch Kochevents stattfinden.

Über 150 (zum Teil auch ehrenamtliche) Mitarbeiter tragen das Konzept „Orrefors Park“, zu dem neben Glasbläserei, Museum und Cafe  auch die alte Hammerschmiede gehört.

Das Museum daneben stellt Werke aus über 100 Jahren aus und bietet einen wunderbaren Überblick über die Entwicklung der Glaskunst in Orrefors.

Die Glashütte Orrefors durfte 2011 sogar das Hochzeitsgeschenk der schwedischen Regierung und des Reichstags für Kronprinzessin Victoria und ihren Mann, Prinz Daniel, herstellen – 1000 mundgeblasene, von der Designerin Erika Lagerbielke entworfene Gläser. Daran erkennt man den hohen Stellenwert der Marke „Orrefors“ in Schweden.

 

Gullaskruv

 

Bereits in seiner Heimat Uruguay war Carlos R. Pebaqué als Glaskünstler tätig. Als er 1976 vor der dortigen Militärdiktatur nach Schweden flüchtete, arbeitete er in Småland auf seinem gewohnten Gebiet weiter und eröffnete eine eigenen Glashütte im kleinen Ort Gullaskruv, zwischen Orrefors und Målerås gelegen.

Er entwickelte eine eigene Technik (CARA) zum Färben des Glases noch während des Blasens.

Heute stellt er seine Kunstwerke im benachbarten Målerås her, in Gullaskruv ist aber seine Kunstgalerie, in der man seine Unikate bewundern und  im Shop kaufen kann.

Am bekanntesten ist sein Werk „Happy Man“, ein Siegerpokal internationaler Fußballspiele.

 

Målerås

Toro – der Stier blickt mich finster und beeindruckend an.

Er ist einer von vielen faszinierenden Kunstwerken, die in der Galerie von Målerås zu sehen sind.

Seit 1890 gibt es diese Glashütte. Mats Jonasson ist hier geboren und aufgewachsen, hat hier seine Ausbildung zum Glasbläser und Glasschleifer gemacht und die Hütte 1988 sogar erworben (es ist die größte Glashütte in Privatbesitz)

Und er prägt Målerås heute mit seiner ganz speziellen Kunst:

In der Verbindung von Eisen, das hier vor Ort in einer eigenen Gießerei hergestellt wird, und dem Glas entstehen hier einzigartige Kunstobjekte, die weit über das Land hinaus bekannt sind.

Die Produktionsräume, auch die Glasschleiferei, kann man besichtigen, der Entstehung der Objekte aber auch ganz bequem beim Mittagessen oder Kaffee durch die Glasscheiben vom gemütlichen Restaurant aus beobachten.

In Målerås gibt es aber nicht nur die Glashütte zu besuchen. Wer hochwertige Lederprodukte wie z.B. Taschen oder auch Gürtel erstehen möchte, sollte am Ortseingang im Geschäft und den Fertigungsräumen von „Målerås Läder“ vorbeischauen.

https://www.maleraslader.com/

Info

Zu allen Glashütten gehört jeweils ein Fabrikverkauf, in dem die Gläser, Schüsseln, Schalen und anderen Kunstwerke erworben werden können. Wenn man Glück hat, findet man etwas Schönes reduziert als 2. Wahl, denn billig sind die Produkte hier nicht, werden sie doch nicht als Massenware industriell, sondern noch immer in Hand- (bzw. Mund-)arbeit hergestellt!

Bei größeren Einkäufen lohnt sich eventuell der Erwerb des Glasriket Passes, eine Vorteilskarte im Glasreich. Mit dem Pass erhält man 10 % Rabatt beim Einkauf in ausgewählten Glasgeschäften. Der Pass kostet 100 SEK und ist das gesamte Jahr uneingeschränkt gültig. Der Pass ist in allen teilnehmenden Glasfabriken und Hütten erhältlich.

 

https://www.glasriket.se/de/glasriket-pass

 

Und während man von Hütte zu Hütte unterwegs ist, kann man die herrliche Natur Smalands genießen :  wandern, Fahrradfahren, angeln,  mit Kanus paddeln – die Möglichkeiten, aktiv zu sein, sind hier vielfältig.

Und Elche? Die sind natürlich auch in den tiefen Wäldern Smålands zuhause. Und wenn man Glück hat, begegnet man auch einem, am besten in der Dämmerung. Und wenn doch nicht? Dann kann man immer noch den Grönåsens Elchpark besuchen – Elchsichtung garantiert!

http://www.gronasen.se/de/

Orrefors-Camping

Unsere „Basis“ zum Besuch des Glasreichs ist Orrefors-Camping, sehr idyllisch auf einer Halbinsel im See „Orranäsasjö“  gelegen.

Der Platz wird seit Jahren liebevoll und engagiert von den beiden Deutschen Romy und Christoph geführt.

50 schöne Stellplätze gibt es, zum großen Teil direkt am See gelegen, aber auch Hütten (Stugas) sind zu mieten.

Einfache, aber saubere Sanitäranlagen sind genauso vorhanden wie ein kleines Cafe. An der Rezeption kann man Frühstücksbrötchen bestellen und die wichtigsten Grundnahrungsmittel wie z.B. Milch kaufen.

Auch einen schönen Bücherpavillon, eine Sauna und eine Minigolfanlage kann man nutzen.

Für vierbeinige Reisebegleiter wurde sogar ein eigener Spielplatz angelegt!

Der See bietet sich für viele Aktivitäten an:

Ruderboote und Kanus kann man am Campingplatz mieten.

Viele Wanderungen und Fahrradtouren können von hier aus unternommen werden, Routenbeschreibungen und Kartenmaterial zum Ausleihen gibt’s an der Rezeption.

Die Glashütte von Orrefors ist nur 3 Kilometer entfernt, auch Gullaskruv (6 km)  und Maleras  (16 km) sind schön mit dem Fahrrad  auf einer stillgelegten Eisenbahntrasse mitten durch den Wald zu erreichen.

Von seiner schönsten Seite zeigt sich der Platz am See aber im Abendlicht.

Wenn man dann vor dem Lagerfeuer (Feuerstellen sind angelegt, Feuerholz kann man an der Rezeption kaufen) mit Blick auf den See sitzt, gibt es kaum etwas Erholsameres!

Entschleunigung pur!

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2 thoughts on “Hütten im Wald – durch Smålands Glasreich

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