Umkehren ist keine Schande – Angels Landing Trail im Zion National Park

Das Adrenalin schießt wie ein Stromstoß durch meinen Körper, als ich hoch oben auf dem roten Felsen stehe.  Rechts und links von mir geht es hunderte von Metern fast senkrecht nach unten ins Tal. Tief unter mir schlängelt sich der Virgin River durch eine der wunderschönsten Landschaften. Die Tatsache, dass hier an dieser Stelle schon einige Wanderer ums Leben gekommen sind, trägt wirklich nicht zu meiner Beruhigung bei. Gehe ich weiter oder drehe ich um?

Vor dieser Entscheidung stehe ich hier –  auf dem Angels Landing Trail, einem der gefährlichsten Wanderwege der Welt!

 

 

Aber besser, ich erzähle von Anfang an:

Zion National Park

Nachdem auf unserer ersten Reise durch Utah unser Besuch im Zion National Park wegen hoffnungslos überfüllter Parkplätze (es war Hochsommer und Ferienzeit und Wochenende!) nur sehr kurz ausfiel, planen wir jetzt im März ein wenig mehr Zeit hier ein.

Zion National Park ist einer der fünf weltberühmten Nationalparks in Utah.

Jeder davon (neben Zion noch Bryce Canyon, Capitol Reef, Canyonlands und Arches N.P.) ist auf seine eigene Art und Weise ein Highlight jeder USA-Reise.  

Zion (seit 1919 Nationalpark) liegt im Südwesten Utahs, 250 Kilometer (160 Meilen) nördlich von Las Vegas.

Tiefe Canyons und Schluchten, das wunderschöne Tal des Virgin River und besonders die leuchtenden Felsen, in allen Schattierungen zwischen hellbeige und kräftigem Orangerot, machen aus diesem Park eine Traumkulisse und ein Must-See im Südwesten der USA!

 

Ein Natur – und ganz besonders ein Wanderparadies!

Den Nationalpark durchqueren könnt ihr mit dem Auto auf dem landschaftlich sensationellen Zion-Mount Carmel Highway vom Südeingang kurz nach Springdale bis zum Ost-Eingang. Hier kommt ihr an markanten Punkten wie dem Berg Checkerboard Mesa und dem Canyon Overlook (kurzer Trail von der Straße aus) vorbei. Traumhafte Ausblicke garantiert!

Zion Canyon Scenic Drive

Um aber das Herzstück des Parks, den Zion Canyon Scenic Drive entlang des Zion Canyons mit dem Virgin River, zu erkunden, lasst ihr euren Wagen besser am Zion Canyon Visitor Center stehen.

Denn von hier aus verkehren kostenlose Shuttlebusse durch den Canyon, die ihr auf jeden Fall nutzen solltet (in der Hauptsaison ist der Zion Canyon Scenic Drive auch nur für diese Shuttlebusse geöffnet) Bequem könnt ihr an neun Stopps aus- und einsteigen, wie ihr möchtet, und so das Tal erkunden.

https://www.nps.gov/zion/planyourvisit/shuttle-system.htm

Von jedem Haltepunkt aus starten Trails – kurze und längere, einfach zu bewältigende (auch Kinderwagen- bzw. Rollstuhlgeeignet) oder schwierigere.

Und wir wollen heute den wohl spektakulärsten Trail des Parks angehen:

Angels Landing Trail

Viel haben wir schon darüber gelesen und auch etliche Videos gesehen. Aber so richtig wissen wir noch nicht, was uns erwartet, als wir am Stopp „The Grotto“ aus dem Bus steigen und den Virgin River überqueren. Denn die Wirklichkeit sieht immer anders aus!

Links vom Fluss erhebt sich ein etwa fünfhundert Meter hoher Felsvorsprung, der den Virgin River zu einer scharfen Kurve zwingt.

Unser Blick wandert den Berg hinauf: dort, ganz oben, können wir gaaanz klein Menschen erahnen. Dort oben ist der Landeplatz der Engel! Und dorthin soll unser Weg auf der spektakulärsten Gratwanderung der USA, wenn nicht sogar weltweit, führen.

Na dann, los geht’s!

Super ausgeschildert verläuft der Weg erst noch ein kleines Stück im Tal, bis er dann langsam anstrengender wird.

In Serpentinen verläuft der West Rim Trail den Hang hinauf. Beeindruckend, wie er hier in den tiefroten Stein gehauen wurde. Welche Mühe und Schweiß das gekostet haben muss!

Apropos Schweiß – uns wird bei diesem Aufstieg auch schnell wärmer.

Dieser Teil des Weges verläuft noch parallel zum Virgin River und dem Zion Canyon mit herrlichen Ausblicken. Wir bleiben immer wieder stehen , um die Sicht zu genießen, jede Fotos zu schießen und den Moment zum Verschnaufen zu nutzen. 

Auf dem Trail ist ordentlich was los, denn es ist März und damit Spring Break-Zeit. Jede Menge Studenten sind hier unterwegs, um in größeren und kleineren Gruppen ihre Ferien mit wandern zu verbringen. Die meisten davon überholen uns recht schnell, sind sie doch erheblich jünger als wir (und fitter!).

Aber so schlecht schlagen wir uns auch nicht.

Ein letzter Blick auf den Zion Canyon – dann biegt der Weg nach links ab in den Refrigerator Canyon. Stetig bergauf laufen wir ein ganzes Stück fast schnurgerade in den Canyon hinein.

Dann noch um ein paar Kurven – und plötzlich sehen wir sie vor uns:

Walter´s Wiggles

21 steile Haarnadelserpentinen – ein unglaublicher Anblick, wie sie hier in den Felsen hineingebaut wurden!

Uff, da rauf kommen wir ordentlich ins Schnaufen!

Und sind durchaus verwundert, welche Wanderbekleidung andere hier wählen.

Doch die Mühe lohnt sich. Am Ende der Serpentinen erwartet uns nämlich eine grandiose Belohnung:

Scout Lookout

 einer der schönsten Aussichtpunkte des Parks.

Auf dieser natürlichen Plattform lassen wir uns, wie viele andere, erst einmal zum Rasten nieder und genießen den beeindruckenden Ausblick hinunter ins Tal zum Virgin River und dem “Big Bend”, der großen Biegung, die der Fluss hier um den Angels Landing Felsen macht.

 

Schnell kommen wir hier mit anderen Wanderern ins Gespräch. Zum Beispiel mit dem älteren Ehepaar aus Taiwan: der Mann hat den Aufstieg trotz Beinprothese geschafft (unglaublich und unvorstellbar) und ist jetzt hier einfach nur dankbar und glücklich.

Und dann ist da noch die junge Studentin, die trotz wahnsinniger Höhenangst sich bis hierher hoch gekämpft hat und sich jetzt unter größter Überwindung stolz und zitternd für ein Erinnerungsfoto an den Rand des Aussichtspunktes stellt.

Aber unsere eigentliche Herausforderung beginnt erst jetzt:

Während wir bisher noch auf dem West Rim Trail unterwegs waren (der von hier aus weiter, wie der Name schon sagt, am Rand des Canyons entlangführt), startet an dieser Stelle nun (nach rechts, auf den Felsvorsprung hinaus und hinauf) der Angels Landing Trail.

Und ab hier wird aus dem bisherigen – zwar schweißtreibenden, aber ungefährlichen – Wanderweg der berüchtigte Klettersteig.

Den Verlauf des Weges kann ich vom Scout Lookout zumindest teilweise einsehen und das Herz rutscht mir bei diesem Anblick dann doch in die Hose. Will ich das wirklich? Wenn, dann muss ich es alleine wagen, denn Martin bleibt wegen seiner Knieprobleme auf jeden Fall am Lookout zurück.

Doch jetzt bin ich extra bis hierher gelaufen –  einfach an dieser Stelle aufgeben, geht nicht!

Dann also auf zum Klettern.  Schmale, in den roten Felsen hineingehauene Trittstufen führen steil nach oben.  Zur Sicherung kann ich mich an einem Kettenhandlauf festhalten. Das ist auch bitter nötig! 

Die Zwischenräume zwischen den Stufen sind recht groß. Mit 1,72 m bin ich nun wirklich keine Zwergin, wie anstrengend muss der Aufstieg dann erst für kleinere als mich sein.

Nur langsam komme ich vorwärts. weil ich immer wieder anhalten muss, um den „Gegenverkehr“ passieren zu lassen. Das ist gar nicht so einfach, denn der Weg ist sehr eng. Und es ist viel los heute!

Und dann kommt der Moment, auf den ich nicht wirklich vorbereitet war: die Kette endet!

Das nächste Stück des Weges muss ich ohne Festhalten schaffen! Auf ebener Fläche würde das wahrscheinlich absolut kein Problem sein, auf diesem schmalen Weg zu laufen. Aber hier, mit dem Wissen, dass es an der Seite hunderte von Metern ungebremst in die Tiefe geht, schaffe ich es einfach nicht.

Eine gefühlte Ewigkeit (wahrscheinlich aber etwa 5 Minuten) stehe ich am Ende des Handlaufs und wage mich nicht weiter. Mehrmals versuche ich einen Schritt nach vorn und ziehe den Fuß wieder zurück. Lasse immer wieder andere Wanderer passieren.  Die meisten scheinen den Weg ohne größere Probleme zu meistern, manche allerdings krabbeln auch über den Stein.

Je länger ich hier warte, umso zittriger werden meine Beine, und ich merke: Es hat keinen Sinn. Ich fühle mich nicht mutig und trittsicher genug für dieses Abenteuer. Denn eines ist klar: schaffe ich es doch irgendwie hinüber, muss ich ja später auch wieder zurück! Und was mich weiter oben, auf dem Weg zum Landeplatz der Engel, noch erwartet, weiß ich ja auch noch nicht!

Doch ich bin an der Stelle nicht allein. Neben mir steht ein anderer Wanderer, mit dem wir bereits auf dem West Rim Trail ins Gespräch gekommen waren.  Als er nämlich gehört hatte, dass wir aus Deutschland kommen, erfuhren wir schnell seine Geschichte als GI in Bayern, nicht weit von unserer Heimatstadt weg.

Sein Freund, mit dem er unterwegs ist, ist schon ein ganzes Stück weiter auf dem Angels Landing Trail nach oben. Er aber ist an der gleichen Stelle hängen geblieben wie ich.

Auch er wagt sich nicht mehr weiter und gemeinsam beschließen wir, umzudrehen und die Felsen wieder hinunter zu kraxeln.

Wenn aber sogar ein gestählter Ex-Soldat hier aufgibt, ist auch für mich umdrehen keine Schande!

Ein wenig traurig sitze ich dann wieder unten am Scout Lookout und beobachte all die strahlenden Menschen, die euphorisch und fast ein bisschen trunken vor Freude erfolgreich von oben zurückkommen.

Ich habe es nicht geschafft – aber nicht wegen mangelnder Kondition, sondern wegen fehlender Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Vielleicht, wenn der Handlauf nicht geendet hätte ….?

Den Trail bis zum Ende, zum Landeplatz der Engel mit seiner atemberaubenden Aussicht, zu gehen, ist sicher ein ganz besonders außergewöhnliches Erlebnis – schaut euch dazu doch mal ein paar YouTube-Videos an, es gibt genug davon.

Aber den Scout Lookout erreicht zu haben, tolle Ausblicke zu genießen und einige interessante Menschen kennengelernt zu haben, allein dafür hat sich der Aufstieg auf jeden Fall gelohnt. Dieser Hike ist nur zu empfehlen!

Und vielleicht seid ihr ja mutiger als ich und schafft es bis zum Ziel!

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