300 Meter in einer anderen Zeit – die Erie Street in Lowell, Arizona

Langsam fahren wir durch die menschenleere Straße. Die Gebäude zu beiden Seiten sind verlassen. Nur aus der Autowerkstatt mit der kleinen Tankstelle davor hören wir Hundegebell.

Wir fühlen uns wie eine Mischung aus Marty McFly, der mit dem Fluxkompensator zurück in die 1950er Jahre gereist ist, und dem einsamen Mad Max nach der Apokalypse.

Scheinbar haben sich, von einem Moment auf den anderen, die Bewohner der Erie Street in Lowell,  Arizona, vor mehr als einem halben Jahrhundert in Luft aufgelöst.

Ihre Häuser und Autos stehen seit dieser Zeit unverändert an Ort und Stelle…

An der großen Wandmalerei kann man es lesen: Lowell wurde, genauso wie der größere Nachbar Bisbee, 1880 gegründet.

Gold, Silber und Kupfer –  die Entdeckung dieser reichen Bodenschätze ließ die Gegend ganz im Süden Arizonas, kurz vor der Grenze zu Mexiko, am Ende des 19. Jahrhunderts zu einer Boom-Region werden. Tausende Glücksritter kamen hierher, besonders aus dem nahen Mexiko. Binnen kürzester Zeit entstanden in der Gegend um Bisbee und Lowell immer mehr Minen zum Abbau der Bodenschätze.

Besonders der Kupferabbau war das florierende Geschäft.  In der Queen Copper Mine wurde ab 1880 gearbeitet. Der „Großraum“ Bisbee mit mehr als 20000 Einwohnern war der wichtigste Ort zwischen St. Louis und San Francisco.

Und nicht nur Kupfer…

Ab Mitte des 20. Jahrhunderts ging dem Kupferabbau aber langsam die Puste aus. Ein letztes Aufbäumen versuchte 1950 Harrison M. Lavender, seines Zeichens Vize-Präsident und General Manager der hiesigen Minengesellschaft Phelps Dodge Corporation, mit seiner Idee, das Kupfer nicht mehr nur unter Tage in Stollen abzubauen, sondern von der Erdoberfläche aus direkt in die Tiefe zu gehen, also im Tagebau das Kupfer zu gewinnen.

Und so wurde zwischen Bisbee und Lowell ein tiefes Loch gegraben – die Lavender Open Pit.

Anfänglich ein großer Erfolg, wurde die Mine schnell auf eine Größe von 1,2 Quadratkilometer und einer Tiefe von mehr als 270 Meter erweitert.

Hört sich erst mal gut an. Doch was war das Problem? Lowell war im Weg!

Und so musste der alte Ort Lowell zu Beginn der 1950er Jahre der Mine weichen.  Nur eine Straße blieb verschont  – die 300 Meter lange Erie Street.

Auf dem Satellitenbild kann man sehr gut erkennen, dass sich das Ende der Straße direkt an der Abbruchkante der Mine befindet.

Und seitdem ist die Zeit hier stehen geblieben – so meint man.

Erie Street mutet wie eine Geisterstraße an.

Die Geschäfte, Bars, Hotels und das alte Fitness-Studio stehen leer, an den Tankstellen bekommt man keinen Tropfen Benzin mehr.

Auch in der Polizei-Station trifft man niemanden mehr an.

Und doch wandern einige mit glänzenden Augen die Straße entlang: Oldtimerfans, die jedes einzelne Fahrzeug intensiv betrachten. Für sie ist die Erie Street ein Paradies.

Aber auch für jemanden, der, wie ich, nicht jede einzelne Automarke der 50er Jahre kennt und an technischen Details nicht besonders interessiert ist, ist ein Spaziergang durch die Straße ein Erlebnis. 

Zu fotografieren gibt es genug. Und irgendwie lässt mich die ganze Zeit das Gefühl nicht los, doch in eine andere Zeit gebeamt worden zu sein.

All das erinnert natürlich sehr an die Orte an der Route 66, aber ohne die Besuchermassen und endlosen Souvenirgeschäfte. Denn kommerziell wird die Erie Street nicht genutzt.

Das einzige heute noch geöffnete Haus ist der „Bisbee Breakfast Club“, der am nördlichen Ende der Straße von 7.00 Uhr -15.00 Uhr Frühstück und Lunch anbietet.

https://www.bisbeebreakfastclub.com/

So ausgestorben die Straße auch scheint: tatsächlich steht eine große Truppe von engagierten Freiwilligen dahinter, die all das instand halten, damit diese Vision der 1950er Jahre auf Dauer aufrecht erhalten bleiben kann.

 

Wie ging es eigentlich nach den 1950er Jahren hier weiter?

Die Minen um Bisbee und Lowell mussten in den 1970er Jahren endgültig schließen, die meisten Arbeitsplätze fielen weg und viele Bewohner verließen die Gegend auf der Suche nach neuen Jobs. Die Immobilienpreise fielen und das günstige Bisbee wurde allem von Hippies aus Kalifornien entdeckt.

Auch wegen des Wetters…

Heute ist die einstige Minenstadt eher ein Künstlerort, der aber mit Museum und Erlebnisbergwerk an seine Geschichte erinnert.

Wer die Nostalgie der 50er Jahre noch intensiver erleben möchte, der kann, nur wenige hundert Meter vom Ende der Erie Street entfernt, auf dem Shady Dell RV Park in wunderschön restaurierten alten Caravans übernachten.

http://theshadydell.com/

Anfahrt:

Von Nordenwesten  ( aus Richtung Phoenix/Tucson) oder Osten (New Mexiko) die Interstate 10 nehmen. In Benson auf den Highway 80 über Tombstone nach Bisbee fahren.

In Bisbee dem Highway  80 weiter folgen Richtung Douglas. Nach der „Lavender Pit“ (kurzer Stop am Parkplatz mit Schautafeln und Blick durch den Zaun in die alte Mine) rechts in die Erie Street einbiegen.

(Ab Benson 50 Meilen)

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