Kalifornien- da denkt wahrscheinlich jeder zuerst an Hollywood, Los Angeles, Malibu, Meer, Surfer, Glamour und luxuriöses Leben. Doch es gibt im Südwesten des Staates eine Gegend, die so gar nichts mit dem üblichen Bild von Kalifornien gemeinsam hat.
Vom Aussichtspunkt Keys View im Joshua Tree Nationalpark sieht man im Süden eine riesige Wasserfläche…
Den Golf von Kalifornien etwa schon? Nein, es ist Salton Sea,mit etwa 1000 Qudratkilometern der größte See Kaliforniens.Und genau da wollen wir hin!
Obwohl er der größte See des Landes ist und nur etwa 30 Meilen südlich vom berühmten Coachella Valley liegt, wird er in Reiseführern oft nur in wenigen Sätzen und ganz nebenbei abgehandelt. Aber einen Besuch ist er allemal wert, ist es doch wie eine Reise in eine andere Welt.
Salton Sea
Salton Sea ist ein unbeabsichtigt entstandener künstlicher See.
Beim Versuch, die Wüste im Imperial Valley durch Kanäle, die vom Colorado River abzweigten, fruchtbarer zu machen , brach 1905 ein Damm und über zwei Jahre floss das Wasser des Colorado unkontrolliert in die Salton Senke, die, ähnlich wie das Death Valley, unter Meeresniveau liegt. Die gesamte Senke wurde geflutet und so entstand der größte See Kaliforniens, Salton Sea, ein Paradies für Fische und Vögel! Er war der ertragreichste Fischgrund Kaliforniens. Vögel kamen in Scharen, da der See auf einer der großen Vogelmigrationsrouten liegt und als Rastplatz der Zugvögel geradezu ideal war.
Ab den 1920er Jahren wurde der See immer mehr zum Ziel von Touristen und Sommerfrischlern, die der Hitze der kalifornischen Wüste am Wasser entgehen und sich erholen wollten. Besonders Bootsbesitzer und Wassersportler kamen in Scharen, ein Bauboom wurde ausgelöst.
Die Riviera Kaliforniens entstand:
Da Salton Sea aber kein natürlich entstandener See ist und keinen Abfluss und kaum Zuflüsse hat, veränderte sich das Ökosystem im Laufe der Jahrzehnte. Durch Verdunstung sank der Wasserspiegel, der See schrumpfte und der Salzgehalt stieg immer weiter an. Er liegt inzwischen weit höher als der Salzgehalt im Meer.
Der Mensch tat sein Übriges, indem dem See immer mehr Wasser entnommen wurde, gleichzeitig aber Düngemittelrückstände und andere Chemikalien in den See gespült wurden.
Der See kippte um! Eine der größten ökologischen Katastrophen der USA!
Und so wendete sich das Blatt…
Mecca Beach
Wir kommen von Norden, aus Richtung des Coachella Valleys, an den Salton Sea. Erste Station ist Mecca Beach Recreation Area:
Auf den ersten Blick ein wunderschönes Erholungsplätzchen am See: Schattenspendende Dächer, es gibt Picknickbänke, Grills und Feuerstellen. Genauso, wie man sich ein tolles Ausflugsziel am Wasser vorstellt!
Wir schlendern zum Strand und werden stutzig: Es knirscht ziemlich unter unseren Füßen (zum Glück sind wir nicht barfuß). Das, was wir von weitem für schönen Sand gehalten haben, stellt sich bei näherer Betrachtung als kleinste Überbleibsel der hier in den letzten Jahrzehnten durch die Vergiftung des Sees gestorbenen Fische heraus! Wir laufen auf Massen von Fischskeletten!!
Na, und manchmal sind sie gar nicht so klein.
Jetzt erklärt sich für uns auch der sehr strenge Geruch nach Fisch und faulen Eiern!
Nun, ein wirklich idyllischer Erholungsort ist das nun doch nicht, aber auf jeden Fall ein Erlebnis, das man so schnell nicht wieder vergisst!
Ein Vogelparadies ist es aber noch immer:
An der Südseite des Sees liegt das Sonny Bono Salton Sea National Wildlife Refuge, das nach dem Kongressabgeordneten und früheren Bürgermeister von Palm Springs, Sonny Bono (ja, genau der: die Hälfte des Duos Sonny & Cher und der Ex-Ehemann von Cher) benannt wurde. Dieser setzte sich bis zu seinem Tod 1998 stark für den Salton Sea ein.
Das Naturschutzgebiet besteht bereits seit den 1930er Jahren. Wir konnten leider an dem Tag, als wir dort waren, nicht viele Tiere beobachten.
Nach einer Übernachtung auf dem Campingplatz der Mecca Beach Recreation Area (entweder standen wir weit genug weg vom Strand oder wir hatten uns daran gewöhnt, jedenfalls war der Geruch erträglich) verlassen wir Mecca Beach und fahren Richtung Süden am Ufer des Salton Sea entlang.
Bombay Beach
Nach einigen Meilen kommen wir nach Bombay Beach.
Wo einst in den 1950er und 1960er die High Society urlaubte (angeblich unter anderem Frank Sinatra, Dean Martin und die Beachboys), ist heute einer der trostlosesten Orte, an denen ich jemals gewesen bin.
Nichts ist geblieben vom früheren Glamour und Touristenboom, die Wüste hat sich den Ort wieder zurückgeholt:
Obwohl man es kaum glauben mag:
In diesem gottverlassenen Nest, auf den ersten Blick eine verfallene Geisterstadt, leben tatsächlich Menschen (auch wenn man kaum einem begegnet).
Etwa 300 sollen es sein, ein großer Teil lebt unterhalb der Armutsgrenze, gestrandete Existenzen … Bombay Beach ist eine der ärmsten Gemeinden der USA.
Ein interessantes Porträt über das Leben in dieser Tristesse gelang 2011 der Regisseurin Alma Harél mit dem Film „Bombay Beach“ .
Doch genau diese morbide Stimmung zieht immer wieder Künstler an und so ist der Ort inzwischen zwischen all den Ruinen fast so etwas wie ein Freilichtmuseum., in dem man stundenlang auf Entdeckungsreise gehen kann:
Alle Jahre im März/April findet die „Bombay Beach Biennale“ statt, ein großes Künstlertreffen, das Bombay Beach wenigstens einmal wieder an den Glamour der früheren Zeit erinnern lässt.
Ein freundlicher Herr, den wir auf der Straße treffen, freut sich riesig, dass sogar Deutsche den Weg in ihr verlassenes Nest finden und zeigt uns den Weg zum Opera House (das wir ohne ihn vielleicht nie gefunden hätten!) , das wir unbedingt ansehen müssten:
Das Haus ist zwar geschlossen, aber durch das Fenster können wir das sehr skurrile Interieur erkennen: Leuchtendblaue Wände und Decke, bedeckt mit Flip-Flops, angeblich verloren von afrikanischen Flüchtlingen. An den Wänden hängen surrealistische Werke des Künstlers James Ostrer.
Nichts, womit man an einem solchen Ort rechnet!!
Und als wir schon dachten, mit Bombay Beach den skurrilsten Ort gesehen zu haben, wurden wir in den nächsten Stunden eines Besseren belehrt…
Wir machten uns auf den Weg zum angeblich letzten freien Ort– nach Slab City:
Slab City und Salvation Mountain
In dem kleinen Ort Niland, 18 Meilen südlich von Bombay Beach, der nicht viel mehr als eine Tankstelle mit einem Mini-Supermarkt zu bieten hat, biegen wir links ab in die Wüste.
Nach wenigen Meilen taucht plötzlich wie eine Fata Morgan im grau-braun der Wüste ein leuchtend buntes Ungetüm auf – der Salvation Mountain (Berg der Erlösung)
Es ist das Kunstwerk, vielmehr das Lebenswerk von Leonard Knight, der 1984 begonnen hat, hier, mitten in der un- wirtlichen Wüste von Südkalifornien, aus Lehm, Stroh und Farbe seiner religiösen Überzeugung ein Denkmal zu setzen :
GOD IS LOVE
Ohne Strom und fließend Wasser lebte er hier dreißig Jahre lang in einem Trailer, um sein Werk immer weiter fortzuführen …
Die Regierung von Kalifornien versuchte mehrmals, das Projekt zu stoppen, doch dazu wurde der Salvation Mountain mit der Zeit zu berühmt ..
Leonard Knight starb 2014 im Alter von 82 Jahren. Doch sein Werk wird von Freunden und Anhängern seiner Kunst fortgesetzt.
Nur ein paar hundert Meter weiter beginnt Slab City- einer der ungewöhnlichsten Orte der USA:
Es ist nichts anderes als ein großer Campingplatz, eine Wohnmobilsiedlung. Keine offizielle Gemeinde- es gibt keine Meldepflicht, keinen Bürgermeister, keine Polizeistation, keinen Arzt, keinen Shop. Miete muss man für den Platz, auf dem der Trailer steht, nicht zahlen, dafür gibt’s auch keinen Strom, Gas oder fließend Wasser. Strom wird meist aus Solaranlagen gewonnen, das Trinkwasser kauft man zusammen mit den Lebensmitteln im nächsten Ort. Doch jeder kann leben, wie er will, daher wird Slab City von den Bewohnern als der letzte freie Ort bezeichnet.
“Slabs” nennt man die Betonfundamente, Überreste einer ehemaligen Kaserne auf diesem früheren Militärgelände.
Wer hier lebt? Zum größten Teil Aussteiger, Künstler und Hippies, aber auch solche, die sich das Leben nirgendwo anders leisten können, die Verlierer und Verlorenen der Gesellschaft und der letzten Wirtschaftskrise. Doch auch sogenannte Snowbirds kommen hierher, also die Rentner, die in ihren Wohnmobilen in der kalten Jahreszeit in den Süden der USA ziehen. Doch so unterschiedlich die Bewohner von Slab City sind, sie bilden eine Gemeinschaft, helfen zusammen und unterstützen sich gegenseitig. Sie achten auf ein sorgsames Miteinander, wie man es andernorts kaum erlebt.
Jeden Samstag Abend treffen sich die Bewohner von Slab City an ihrer Bühne, The Range, und dort kann dann jeder sein künstlerisches Talent zeigen.
Ok, wir waren sonntags dort, deshalb hatte ich keine Zuschauer …
An einem Ende von Slab City finden wir die East Jesus Gallery, ein Skulpturen-Garten, so ist es zumindest bezeichnet. Doch es ist, irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn, eine Ausstellung von Kunstwerken, die aus all dem Schrott und Abfall, der sich an einem Ort wie Slab City oder der Wüste ansammelt, entstanden sind.
Am Eingang wird man persönlich in Empfang genommen und erhält eine kleine Erläuterung zur Ausstellung. Der Eintritt ist frei, Spenden werden aber gern entgegen genommen.
Egal was, ob ausrangierte Autos, Flugzeuge oder Boote, Fahrräder, Fernseher, Computer, Flaschen oder sogar Puppen- alles wird verwendet und äußerst kreativ zu Objekten, oft mit durchaus philosophischen Botschaften, verarbeitet.
Hier kann man Stunden verbringen, denn die Details der Kunstwerke sind es wert, entdeckt zu werden.
Und man wird hier, an dem Ort, an dem die Menschen notgedrungen meist nur mit den notwendigsten Dingen leben, an die Verschwendung unserer Wegwerf-Gesellschaft erinnert.
Und wenn man dann, irgendwann, nach Stunden oder auch Tagen, diesen letzten freien Ort verlässt, wird am Ausgang an das erinnert, was nun wieder auf einen zukommt….
Denn eines ist sicher: ein Besuch in Slab City ist eine Reise in eine andere, fast unwirkliche Welt… Aber eine, die man unbedingt einmal unternehmen sollte.
Anreise:
Aus Norden von Palm Springs durch das Coachella Valley – 50 Meilen bis Mecca Beach
Weitere 18 Meilen bis Bombay Beach, von dort 22 Meilen nach Slab City
Von dort aus kann man nach Westen in den Anza Borrego State Park und weiter an die Westküste fahren oder auch nach Osten zu den Imperial Sand Dunes zur Weiterfahrt nach Arizona
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