Im Westen vom Osten – Geisa und Point Alpha in der Rhön

 

Wir besuchen heute einen kleinen Ort mit großer Geschichte – Geisa in Thüringen war über Jahrzehnte eine der wichtigsten Städte im geteilten Deutschland. Und das, obwohl sie gerade einmal etwas mehr als 2000 Einwohner hat (mit allen Gemeindeteilen ca. 5000)!

Warum? Weil Geisa bis 1989 der westlichste Punkt des Ostblocks war.

Und weil hier, mitten in der idyllischen Rhön, der Punkt war, an dem während des Kalten Krieges als erstes mit einer Invasion der UdSSR gerechnet wurde. Denn das „Fulda-Gap“ an der Grenze zwischen Thüringen und Hessen galt wegen seiner landschaftlichen Gegebenheiten als idealer Angriffspunkt der Truppen des Warschauer Paktes, um schnell nach Frankfurt und damit zur Rhein-Main-Air-Base, einem der wichtigsten NATO-Luftwaffenstützpunkte in Europa, vorzudringen. Der erwartete Beginn des Dritten Weltkrieges!

Zum Glück sind diese finsteren Zeiten lange her!

Geisa

ist heute ein ruhiges Rhönstädtchen, das aber auf jeden Fall einen Besuch wert ist.

Auf unserem kleinen Spaziergang durch den Ort können wir einiges Interessantes und auch Überraschendes entdecken:

Als erstes fällt uns als imposantes Bauwerk natürlich am nördlichen Ende des Marktplatzes die katholische Stadtpfarrkirche aus dem 15. Jahrhundert auf. Die einzige mittelalterliche Kirche der Gegend hat etwas ganz besonders zu bieten: das Carillon mit 49 handgegossenen Bronzeglocken hoch oben im Fachwerkturm. Eines der schönsten Glockenspiele Deutschland!

Auf der anderen Seite des Marktplatzes kommen wir zum schönen Rathaus

davor das Wappentier der Stadt: die Geiß!

Von hier aus sind es nur ein paar Schritte hinauf zum Schlossplatz

mit dem Barockschloss

dem Fürstlichen Schloss (1678-1700 als Amtssitz der Fuldaer Äbte erbaut)

und der evangelischen Kirche

Ein kleiner Durchgang neben dem Schloss bringt uns zum Gangolfiberg, einem kleinen Park mit Friedhof und der Gangolfikapelle aus dem 15. Jahrhundert

 

Hier finden wir etwas wirklich Außergewöhnliches: das mittelalterliche Zentgericht, das so erhalten in Mitteldeutschland einmalig ist!

Apropos Mittelalter:

die alte Stadtbefestigung von Geisa ist auch noch zu einem großen Teil erhalten

und besonders von den Ulsterauen unterhalb der Stadt schön zu sehen.

Das ist doch wirklich viel Außergewöhnliches in dieser kleinen Stadt!

Stadt Geisa / Rhön – Point-Alpha-Stadt (stadt-geisa.org)

Doch das war´s hier für heute noch nicht. Für uns geht’s jetzt noch rauf auf den Berg!

Nur etwa zwei Kilometer außerhalb und oberhalb Geisas erwartet uns ein wirklich beeindruckendes Denkmal der Geschichte unseres Landes:

Gedenkstätte Point Alpha

An kaum einer anderen Stelle (außer vielleicht in Berlin) standen sich während der jahrzehntelangen Teilung Deutschlands die verfeindeten Besatzungsnationen so nah gegenüber!

Was hätte hier alles passieren können …

Zum Glück sind diese Zeiten ohne militärische Katastrophe verlaufen und inzwischen lange vorbei.

Einige Reste der Grenzanlagen sind erhalten geblieben, um weiterhin zu informieren und zu mahnen!

Auch wird an (für uns heute) unglaubliche Maßnahmen der „Grenzsicherung“ erinnert.

Wirklich beeindruckend, diesen Teil der Geschichte, der ja noch gar nicht so lange her ist und den ich aus meiner Kindheit und Jugend noch kenne (ich bin ja während des Kalten Krieges in einer fränkischen Garnisonsstadt der US-Army aufgewachsen), heute nochmal so hautnah zu erleben!

Der ehemalige amerikanische Beobachtungsstützpunkt ist heute eine Art „Freilichtmuseum“ mit vielen interessanten Erinnerungen!

Einiges kommt mir tatsächlich aus meiner Kindheit bekannt vor!

Außerhalb des alten Camps führt uns der alte DDR-Kolonnenweg an vielen Informationstafeln vorbei bis zum

Haus auf der Grenze

Seit 2003 erinnert es mit Ausstellungen an Teilung und Wiedervereinigung.

Der Eintritt für beides (US-Beobachtungsstützpunkt und Haus auf der Grenze) zusammen kostet 8,00 € für Erwachsene

https://www.pointalpha.com/gedenkstaette/ihr-besuch-bei-uns/

Auf der anderen Seite der Verbindungsstraße zwischen Thüringen und Hessen (Geisa und Rasdorf) wecken große Metallskulpturen mein Interesse.

Hier führt der alte Kolonnenweg weiter und mitten im ehemaligen Todesstreifen gibt es seit dem 3. Oktober 2010, also genau zwanzig Jahre nach der Wiedervereinigung, den

Weg der Hoffnung

der mit 14 Skulpturen auf 1400 Meter Länge (diese sollen stellvertretend für 1400 km ehemalige innerdeutsche Grenze stehen) zwar an den christlichen Kreuzweg erinnert, aber vor allem den Opfern des Widerstandes gegen die kommunistischen Diktaturen gewidmet ist.

Ergreifend und beeindruckend!

Der Besuch von Point Alpha verursacht mir ordentlich Gänsehaut, denn es wird mir hier nochmal ganz konkret bewusst, welche Auswirkungen die Teilung Deutschlands auf die Menschen hatte, die hier in Grenznähe gewohnt haben. Aber auch, auf welchem Pulverfass wir alle damals gelebt haben!

Der Todesstreifen, also das Niemandsland an der Grenze, das nicht betreten werden durfte, hatte allerdings auch einen (aber nur diesen einen) positiven Effekt: die Natur konnte sich hier jahrzehntelang ungehindert entfalten, wie sie wollte. Und deshalb zieht sich heute auf 1400 km mitten durch Deutschland das „Grüne Band“, ein einzigartiges biologisches Vermächtnis!

Und das kann auch hier bei Geisa inzwischen ganz toll erwandert und „erradelt“ werden.

Aber nicht nur durch den Wald verlaufen schöne Wege.

Ein herrlicher Fernradweg führt auch durch Geisa:

Der Ulstertalradweg

der von der Quelle des Flüsschens Ulster bei Ehrenberg in der hessischen Rhön bis nach Vacha in Thüringen verläuft, wo die Ulster in die Werra mündet.

Ein großer Teil dieser 53 Kilometer langen Route verläuft auf einer alten Bahntrasse und ist deshalb wunderbar zu fahren!

Davon überzeugen wir uns eine einem schönen warmen Sommertag.

Allerdings radeln wir nicht die gesamte Strecke, sondern nur den Abschnitt von Hilders bis nach Geisa.

Einen kurzen Stopp legen wir in dem idyllischen Rhönstädtchen Tann mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern ein.

Bis auf ein kleines Stück, das wir auf der Straße fahren müssen, verläuft der Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse bzw. auf Fahrradwegen meist entlang der Ulster und ist sehr angenehm zu fahren.

Idyllisch und wunderschön! Ohne größere Steigungen ist die Tour nicht sehr anstrengend und macht Spaß.

Lediglich der Abstecher den Berg hinauf nach Point Alpha geht ordentlich in die Beine!

Und zurück nach Hilders müssen wir ja auch wieder, weil dort ja unser Auto steht!

https://www.ulstertal.de/de/info/ulstertalradweg.html

 

Auf jeden Fall eine tolle Radtour!

Anfahrt

Geisa liegt etwa 35 Kilometer nordöstlich von Fulda.

Über die A7 Ausfahrt Hünfeld/Schlitz und die B84 nach Geisa.


Landschaftlich, geschichtlich und kulturell – Geisa, das Ulstertal und die Gedenkstätte Point Alpha sind vielseitig und sehr interessant. Und auf jeden Fall einen Ausflug wert!!

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