Leise, wie die Indianer, gleiten wir in unserem Kanu auf dem schmalen Fluss durch den dichten grünen Wald. Nur die Rufe von Vögeln durchbrechen ab und an die Stille…
So einsam, ursprünglich und grün, wie es hier ist, könnten wir uns auch irgendwo im Dschungel Südamerikas befinden. Doch es kreischen um uns keine Papageien, sondern Milane. Und wir müssen auch keine Angst vor Krokodilen oder Piranhas haben, nur Enten schwimmen ab und zu mal neben uns her – denn wir sind mitten in Deutschland: im wunderschönen Spreewald!
Biosphärenreservat Spreewald
Etwa eine Autostunde südlich von Berlin liegt das Biosphärenreservat Spreewald. Eine einzigartige Landschaft: dichter Wald, durchzogen von unzähligen kleinen Wasserstraßen. Seit der letzten Eiszeit durchfließt die Spree diese Gegend in vielen kleinen Verästelungen, den Fließen. Der Mensch hat seinerseits im Laufe der Jahrhunderte noch Kanäle dazwischen angelegt.
Seit 1991 ist der Spreewald offiziell als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt, um seine einmalige Fauna und Flora zu bewahren.
Flora
Der Spreewald ist ein wichtiges Verbreitungszentrum von Pflanzenarten des Feuchtgrünlandes. Aktuell sind im Spreewald 1.227 wild wachsende Arten nachgewiesen. Knapp ein Viertel davon (241 Arten) gelten nach der Roten Liste Brandenburg (2006) als gefährdet.
Fauna
Für das Biosphärenreservat Spreewald sind bisher 3.498 Tierarten dokumentiert, davon 395 Wirbeltierarten, 5 Reptilienarten, 13 Amphibienarten, 36 Fischarten und 683 Insektenarten. Sieben Arten werden in der international gültigen Roten Liste unter der Kategorie „gefährdet“ geführt: Es handelt sich dabei um den Fischotter (Lutra lutra), die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), den Wachtelkönig (Crex crex), die Gastvögel Seggenrohrsänger (Acrocephalus paludicola) und Zwerggans (Anser erythropus) sowie den Eremit (Osmoderma eremita) und den Großen Eichenbock (Cerambyx cerdo). Nach europäischem Artenschutzrecht besonders geschützt (FFH-Anhang II) sind 22 im Biosphärenreservat Spreewald nachgewiesene Tierarten. Dies unterstreicht die Bedeutung des Biosphärenreservates für den Artenschutz.
https://www.spreewald-biosphaerenreservat.de/biosphaerenreservat/natur-landschaft/flora-und-fauna/
Ein absolutes Naturparadies!
Seine Schönheit wurde schon vor langem erkannt:
„Und daß dem Netze dieser Spreekanäle
Nichts von dem Zauber von Venedig fehle,
Durchfurcht das endlos wirre Flußrevier
In seinem Boot der Spreewald-Gondolier!“
– Theodor Fontane
Was mir bei unserer Anreise als erstes auffällt: meisten Ortsschilder sind hier zweisprachig. Aber warum? Und welche Sprache ist das?
Es ist sorbisch. Denn hier, in der Niederlausitz, zu der der Spreewald ja gehört, lebt seit Jahrhunderten die nationale Minderheit der Sorben. Mit ihrer eigenen Sprache, eigener Kultur und Flagge. Besonders an Sonn- und Feiertagen kann man hier Frauen in wunderschönen sorbischen Trachten begegnen.
Inoffizielle Hauptstadt des Spreewaldes ist
Lübbenau
Touristisch bestens erschlossen, dreht sich hier alles um die berühmten Spreewaldgurken, Senf und Meerrettich:
Und um Kähne:
Denn hier, entweder vom Großen Spreewaldhafen
oder vom „Kleinen Hafen“ aus
starten die bekannten Kahnfahrten durch die Spreewaldkanäle – ein durchaus unterhaltsames, feucht-fröhliches Erlebnis, wenn man von einem gutgelaunten Kahnschiffer wie von einem Gondoliere durch die Wasserstraßen geschippert wird und dabei noch viel Interessantes über Land und Leute erfährt.
Wir aber wollen uns auf eigene Faust auf Tour begeben:
In einem Kanu
Kanu- und Bootsverleihe gibt es in Lübbenau etliche. Die Preise variieren geringfügig.
https://www.luebbenau-spreewald.com/de/natur-erleben/paddeln-wasserwandern/bootsvermietungen.php
Wir mieten unser Kanu direkt am Campingplatz, auf dem wir uns einquartiert haben:
Spreewald-Natur-Camping „Am Schlosspark“
Der Platz liegt zentral – wie der Name schon sagt – im Schlosspark von Lübbenau.
Idyllisch zwischen hohen Bäumen am Wasser.
Die Ausstattung ist hervorragend: tolle neue Sanitäranlagen, superfreundliche Menschen in der Rezeption, ein kleiner Shop mit Souvenirs wie z.B. Gurken, ein Brötchenservice und sogar ein Automat mit Wurst und Grillfleisch für den spontanen Hunger!
Absolut empfehlenswert!
Schon bei unserer Ankunft auf dem Campingplatz reservieren wir an der Rezeption für den nächsten Tag ein Kanu.
Weil uns unser Yoda natürlich auf dem Abenteuer begleitet, können wir nicht mit Kajaks los, sondern brauchen einen 4-er Kanadier, auf dem er es sich in der Mitte zwischen uns schön bequem machen kann (Kosten: 28 € pro Tag)
Wir starten am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück:
Ausgerüstet werden wir bei der Übernahme des Kanus mit dem wichtigsten Utensil des Tages (abgesehen vielleicht von den Paddeln): einer Karte über das gesamte Wasserwegenetz des Spreewaldes! Jede Schleuse, jede Abzweigung und jede Sackgasse ist genau eingezeichnet, denn das Gebiet ist so groß und verzweigt, dass wir uns ohne Karte ganz sicher schnell verirren würden!
Es gibt aber zum Glück zur Orientierung auch an jeder Abzweigung „Straßenschilder‘“ und Wegweiser, sonst würde uns die Karte allein auch nichts nützen.
Und dann paddeln wir los!
Von der mystischen Düsternis des Spreewalds in Sagen und Fernsehkrimis ist heute, an diesem herrlichen Frühsommertag, nichts zu spüren.
Die Sonne bahnt sich ihren Weg durch das dichte Laubdach des Waldes und zaubert wunderschöne Impressionen.
Es dauert nicht lange und wir sind von der besonderen Stimmung der Landschaft erfasst.
Ruhig, ohne viele Worte paddeln wir langsam durch die Stille der Fließe. Vögel zwitschern um uns herum.
Begleitet werden wir von vielen wunderschönen, bunten Libellen, die neben uns von Blüte zu Blüte tanzen.
Leider bleiben sie kurz ganz kurz sitzen und ziehen gleich wieder rastlos weiter, deshalb ist es sehr schwer, schöne Fotos von ihnen zu machen.
Sie kommen hier in außergewöhnlicher Vielfalt vor. Wenn ihr näheres über sie erfahren wollt, dann schaut doch mal unter:
Hier im Biosphärenreservat greift der Mensch nur wenig ein und lässt die Natur sich entfalten.
Wir wissen, dass wir nicht auf dem Amazonas unterwegs sind, aber ist das da drüben vielleicht ein Krokodil? Manchmal geht dann doch unsere Fantasie mit uns durch…
Wie zeitlos gleiten wir auf dem Wasser entlang.
Hin und wieder begegnen wir anderen Kanufahrern oder auch Spreewaldkähnen, besonders an den Schleusen.
Schleusen
Diese sind ein Abenteuer für sich, das man mal erlebt haben sollte:
Manche Schleusen sind von „Schleusenwärtern“ besetzt, andere funktionieren in „Selbstbedienung“:
Das Prinzip ist immer das gleiche: ein Schleusentor wird geöffnet, die Kanus paddeln hinein, das Tor wird geschlossen. Ein Hebel wird umgelegt und damit wird entweder (dementsprechend, ob es auf- oder abwärts geht) Wasser in das Becken hineingeleitet oder es fließt hinaus. Etwas Strömung entsteht dabei schon und es ist besser, sich da am Rand der Schleuse ein wenig festzuhalten.
Hat der Wasserstand der Schleusenkammer dann das Niveau des weiterführenden Kanals erreicht, wird das zweite Tor geöffnet und wir paddeln wieder hinaus.
Wir hatten das Glück, dass bei den Selbstbedienungsschleusen immer bereits andere Kanubesatzungen sich aufgemacht hatten, die Schleuse zu bedienen (besonders für Kinder ist das ein riesiger Spaß). So musste ich glücklicherweise nie aus dem Kanu krabbeln, sondern konnte gemütlich sitzen bleiben.
Und während des Schleusens ist immer wieder Zeit für einen kleinen Plausch mit anderen Paddlern.
Auf unserer Tour kommen wir auch durch die beiden
Spreewalddörfer Leipe und Lehde
Diese sind wirklich etwas Besonderes! Seit Jahrhunderten sind die Fließe ihre Lebensader, lange Zeit waren die Dörfer nicht mit dem Straßennetz verbunden (heute natürlich schon).
Allein schon, dass wir das Ortsschild auf dem Wasser passieren, zeigt die Außergewöhnlichkeit der Dörfer.
Fast alle Häuser liegen direkt am Wasser. Statt Garagen haben sie „Carports“ für Boote!
Bis heute wird sogar die Post (zumindest von Frühjahr bis Herbst) in Lehde noch mit dem Boot ausgefahren. Leider haben wir den berühmten gelben Postkahn nicht selbst zu Gesicht bekommen.
Auch die Feuerwehr sieht hier anders auch, als wir es gewohnt sind!
Wir paddeln an wunderschönen Häusern und Gärten vorbei.
Sowohl in Leipe als auch in Lehde gibt es genügend Gasthäuser und Cafes, die dazu einladen, das Kanu an Land zu ziehen und eine Pause zur Stärkung einzulegen.
Hier ist immer was los!
In Lehde könnt ihr auch einen Stopp im Freilandmuseum mitten im Ort einlegen. Es ist das älteste Freilandmuseum Brandenburgs und gibt einen tollen Einblick in die Wohn- und Lebensweise der Spreewälder im 19. Jahrhundert.
Dafür haben wir heute aber keine Zeit, denn wir wollen noch zu einem, wie ich finde, ganz besonderen Ort im Spreewald.
Wotschofska
Der Name klingt für mich irgendwie geheimnisvoll. Da will ich hin!
Gut verborgen mitten im Kanalnetz des Spreewaldes erhebt sich eine kleine Insel. seit vielen Jahrhunderten aufgrund ihrer abgelegen, aber hochwassergeschützten Lage Zuflucht für die Bewohner des Spreewaldes in Kriegszeiten! Und tatsächlich: sie wurde niemals von feindlichen Truppen betreten! (kann ich zumindest nachlesen).
„Wótšow“ bedeutet im Sorbischen „Insel“.
Seit 1894 gibt es hier schon ein Gasthaus und es ist bis heute eines der beliebtesten Ausflugsziele im Spreewald.
Das können wir schon daran erkennen, dass, je näher wir Wotschofska kommen, der „Verkehr“ dichter wird.
Das wunderschöne, urige Holzhaus war bis 1911 nur auf dem Wasserweg zu erreichen, erst dann wurde ein Fußweg von Lübbenau hierher gebaut. Seitdem kommen viele Besucher zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf einem wunderschönen Spazierweg hierher.
Die meisten erreichen Wotschofska aber, so wie wir heute, auf dem Wasserweg.
Obwohl an diesem schönen Junitag hier einiges los ist, finden wir ein schönes Plätzchen im Garten. Wir sitzen idyllisch unter den hohen Bäumen und stärken uns.
Das Essen ist wirklich lecker!
Ein Stopp hier muss einfach sein!
Gut erholt steigen wir wieder ins Kanu und paddeln weiter.
Während wir am Vormittag von Lübbenau aus erst mal spreeaufwärts, also gegen die Strömung paddeln mussten, müssen wir uns jetzt, auf der Rückfahrt, nicht mehr viel anstrengen.
Bis wir wieder am Campingplatz ankommen, können wir deshalb die Ruhe und die wunderschöne Natur umso mehr genießen!
Entschleunigung pur! Einfach traumhaft!
Fazit
Der Spreewald ist ein wunderschönes Fleckchen Erde, das wir auf unserer Kanutour sehr nah und intensiv erleben durften. Es durften einen wunderschönen Tag erleben und ich kann dieses Abenteuer jedem nur empfehlen!
Um die herrliche Natur zu schützen und zu bewahren, solltet ihr natürlich auch als Paddler einige Verhaltensregeln beachten (was nicht schwer ist und absolut selbstverständlich sein sollte):
https://www.luebbenau-spreewald.com/media/downloads/goldene_paddelregeln.pdf
Kleiner Tipp zum Schluss:
Vergesst auf eurer Tour durch den Spreewald auf keinen Fall Mückenschutz. Denn in dieser ursprünglichen, wilden und feuchten Landschaft fühlen sich alle Tiere wohl, besonders auch Stechmücken!
Anreise
Ausfahrt 9 Lübbenau auf der A13 auf halbem Weg von Berlin nach Dresden (Entfernung zu beiden Städten jeweils etwa 100 Kilometer.
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